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Pressemitteilung vom 23.03.2017

Datum: 23.03.2017

Kurzbeschreibung: Keine Sozialleistungen bei Aufenthaltsrecht nur zur Arbeitsuche – Sozialgericht entscheidet entgegen höchstrichterlicher Rechtsprechung!

Der 1971 geborene, italienische Staatsangehörige M lebte und arbeitete nach eigenem Vortrag in Deutschland bereits von 2001 bis zu seiner Rückkehr nach Italien im Jahr 2006. Im April 2013 reiste er wieder nach Deutschland ein und war bis zur Kündigung durch den Arbeitgeber für ein Dreivierteljahr (bis Januar 2014) als Reinigungskraft beschäftigt. Verheiratet ist er mit der 1977 geborenen Italienerin F, die im September 2013 erstmals nach Deutschland einreiste und zunächst arbeitslos blieb.

Das Jobcenter Stadt Heilbronn bewilligte dem Ehepaar daraufhin SGB II-Leistungen von Dezember 2013 bis Juli 2014, lehnte es aber aufgrund des erst kurzen Aufenthalts bzw. der Beschäftigungszeit in Deutschland von zuletzt lediglich einem Dreivierteljahr ab, darüber hinausgehend Leistungen zu gewähren.

Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos: Da M nach seiner Wiedereinreise weniger als ein Jahr beschäftigt gewesen sei, habe anschließend sein Arbeitnehmerstatus für die Dauer von maximal sechs Monaten aufrechterhalten bleiben und ein etwaiger Anspruch auf „Hartz IV“ auch nur in diesem Zeitraum bestehen können. Auch sei aus dem früheren Aufenthalt in Deutschland von 2001 bis 2006 kein Arbeitnehmerstatus mehr abzuleiten. Denn bis zur Wiedereinreise im April 2013 seien deutlich mehr als zwei Jahre vergangen und ein etwaiges Daueraufenthaltsrecht in Deutschland bereits verloren gewesen. Die Kläger hätten auch keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt gegen den beigeladenen Sozialhilfeträger (die Stadt Heilbronn). Denn abweichend von der derzeitigen BSG-Rechtsprechung scheitere ein Anspruch der Kläger an der Ausschlussregelung des § 21 S. 1 SGB XII. Danach erhalten Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, grundsätzlich keine Sozialhilfe. Der Gesetzgeber habe gerade für den Personenkreis, der – wie hier die Kläger - unter den Ausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II falle, keinen Leistungsanspruch auf Sozialhilfe gewollt. So habe er kürzlich auch in einer Gesetzesänderung klargestellt, dass Personen, welche sich mit einem Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche in Deutschland aufhielten, sowohl von Leistungen nach dem SGB II („Hartz IV“) als auch nach dem SGB XII (Sozialhilfe) ausgeschlossen seien.

Az.: S 15 AS 2208/14 (M./. Jobcenter Stadt Heilbronn; Urteil vom 22. Februar 2017, nicht rechtskräftig: die einmonatige Berufungsfrist ist noch nicht abgelaufen)

Hinweis zur Rechtslage:

§ 7 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch [SGB II]   - Grundsicherung für   Arbeitsuchende - (in der Fassung vom 20.12.2011):

1Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1. das 15. Lebensjahr vollendet   und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,

2. erwerbsfähig sind,

3. hilfebedürftig sind und

4. ihren gewöhnlichen   Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige   Leistungsberechtigte).  

2Ausgenommen sind (…) 2. Ausländerinnen und   Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche   ergibt, und ihre Familienangehörigen (…). Aufenthaltsrechtliche   Bestimmungen bleiben unberührt. (…) 

§ 2 Gesetz über die allgemeine   Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU):  

(1) Freizügigkeitsberechtigte   Unionsbürger und ihre Familienangehörigen haben das Recht auf Einreise und   Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes. 

(2) Unionsrechtlich   freizügigkeitsberechtigt sind:

1. Unionsbürger, die sich als   Arbeitnehmer (…) aufhalten wollen,

2. Unionsbürger, die sich zur   Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur,   solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und   begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden, (…)

7. Unionsbürger und ihre   Familienangehörigen, die ein Daueraufenthaltsrecht erworben haben.

(3) 1Das Recht nach   Absatz 1 bleibt für Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätige unberührt bei

1. vorübergehender Erwerbsminderung   infolge Krankheit oder Unfall,

2. unfreiwilliger durch die   zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung   einer selbständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbständige   keinen Einfluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit, (…) 

2Bei   unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter   Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung bleibt das Recht   aus Absatz 1 während der Dauer von sechs Monaten unberührt. 

§ 21   Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB   XII] - Sozialhilfe - : 

Personen, die nach dem Zweiten Buch   als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt   sind, erhalten keine Leistungen für den Lebensunterhalt.(..) 

 § 23 SGB XII - Sozialhilfe für   Ausländerinnen und Ausländer -(in der Fassung vom 2.12.2006):    

(1) 1Ausländern,   die sich im Inland tatsächlich aufhalten, ist Hilfe zum Lebensunterhalt,   Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe   zur Pflege nach diesem Buch zu leisten. 2Die Vorschriften   des Vierten Kapitels bleiben unberührt. 3Im Übrigen kann   Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. 4Die   Einschränkungen nach Satz 1 gelten nicht für Ausländer, die im Besitz einer   Niederlassungserlaubnis oder eines befristeten Aufenthaltstitels sind und   sich voraussichtlich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten. 5Rechtsvorschriften,   nach denen außer den in Satz 1 genannten Leistungen auch sonstige Sozialhilfe   zu leisten ist oder geleistet werden soll, bleiben unberührt.

(2) Leistungsberechtigte nach §   1 des Asylbewerberleistungsgesetzes erhalten keine Leistungen der   Sozialhilfe.

(3) 1Ausländer,   die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthaltsrecht   sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, sowie ihre   Familienangehörigen haben keinen Anspruch auf Sozialhilfe. 2Sind   sie zum Zweck einer Behandlung oder Linderung einer Krankheit eingereist,   soll Hilfe bei Krankheit insoweit nur zur Behebung eines akut   lebensbedrohlichen Zustandes oder für eine unaufschiebbare und unabweisbar   gebotene Behandlung einer schweren oder ansteckenden Erkrankung geleistet   werden.

 

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