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Pressemitteilung vom 14.02.2017

Datum: 14.02.2017

Kurzbeschreibung: Jobcenter fordert zu Unrecht 20.000€ von 12jähriger Erbin eines verstorbenen Hartz IV-Empfängers!

Der im April 1964 geborene V zog 2010 bei der Mutter seiner 2005 geborenen Tochter T zur Untermiete ein. Von Juli 2011 bis Ende 2013 bezog er SGB II-Leistungen („Hartz IV“). Aufgrund einer bösartigen Krebsform (Morbus Hodgkin-Lymphom) war er von Ende 2011 an durchgehend arbeitsunfähig. Seit Mai 2012 lagen bei V die Voraussetzungen für die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 80, der Merkzeichen B (ständige Begleitung) und aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) sowie der Pflegestufe I vor. Laut einem erst im April 2013 vom Jobcenter Landkreis Schwäbisch Hall veranlassten Gutachten war V auf Dauer nicht mehr erwerbsfähig. Auf Veranlassung des Jobcenters stellte V daraufhin im Juli 2013 einen Rentenantrag und bezog anschließend eine Rente wegen voller Erwerbsminderung; im Rentenbescheid wurde ausgeführt, dass V bereits seit April 2012 voll erwerbsgemindert sei, jedoch aufgrund der verspäteten Antragstellung die Rente erst ab diesem Zeitpunkt (Juli 2013) gewährt werden könne. Kurz vor seinem 50. Geburtstag im April 2014 starb V und vererbte knapp 35.000€ an seine Tochter (den „Löwenanteil“ hiervon hatte V kurz zuvor - nach Ende des Hartz IV-Bezugs - von seiner Tante geerbt). 

Im Januar 2015 forderte das Jobcenter T zur Zahlung von rund 20.000€ auf: Als Erbin des V habe sie ersatzweise die ihm gewährten SGB II-Leistungen zurückzuzahlen.

Die hiergegen vor dem Sozialgericht erhobene Klage war erfolgreich: Ein Ersatzanspruch gegen die Erben eines Hartz IV-Empfängers setze voraus, dass der SGB II-Bezug zuvor rechtmäßig erfolgt sei. Hier hätten sich angesichts der seit Dezember 2011 regelmäßig bescheinigten Arbeitsunfähigkeit aber Zweifel an der Erwerbsfähigkeit des V aufdrängen und das Jobcenter auf eine frühere Stellung des Rentenantrages hinwirken müssen. Dann hätte V schon seit Beginn seiner Erwerbsunfähigkeit im April 2012 eine Rente beziehen können und wäre insoweit nicht mehr auf Hartz IV angewiesen gewesen. Jedenfalls scheitere ein Anspruch des Jobcenters gegen T bereits daran, dass der maßgebliche Vermögenszuwachs des V (hier Erbschaft der Tante) erst nach Ende des Hartz IV-Bezugs erfolgt sei. Im Übrigen würde es für T hier eine besondere Härte nach § 35 SGB II bedeuten, als Erbin ihres Vaters in Anspruch genommen zu werden. Denn in dieser Norm sei auch ein Anreiz zur Erbringung von Pflegeleistungen zu sehen. Hier habe T ihren Vater zwar schon wegen ihres Alters von seinerzeit 7 Jahren nicht daheim bis zu seinem Tod pflegen können, dies habe aber ihre Mutter übernommen und komme nun T zugute.  

Az.: S 3 AS 682/15  (T ./. Jobcenter Landkreis Schwäbisch Hall; Urteil vom 15. Dezember 2016, nicht rechtskräftig).  

Hinweis zur Rechtslage:  

§ 7 Zweites Buch   Sozialgesetzbuch  [SGB II] – Leistungsberechtigte - :  

(1) Leistungen nach diesem   Buch erhalten Personen, die (…) das 15. Lebensjahr vollendet und die   Altersgrenze (…) noch nicht erreicht haben, (…) erwerbsfähig (…),   hilfebedürftig sind und (…) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der   Bundesrepublik Deutschland haben (…). 

§   35 Zweites Buch Sozialgesetzbuch  [SGB II] - Erbenhaftung - in der bis   31.7.2016 gültigen Fassung

(Anmerkung:   seit 1.8.2016 ist die Vorschrift wegen verfassungsrechtlicher Bedenken   ersatzlos gestrichen)

(1) 1Der   Erbe einer Person, die Leistungen nach diesem Buch erhalten hat, ist zum   Ersatz der Leistungen verpflichtet, soweit diese innerhalb der letzten zehn   Jahre vor dem Erbfall erbracht worden sind und 1 700 Euro übersteigen. 2Der   Ersatzanspruch umfasst auch die geleisteten Beiträge zur Kranken-, Renten-   und Pflegeversicherung. 3Die Ersatzpflicht ist auf den Nachlasswert zum   Zeitpunkt des Erbfalls begrenzt.

(2) Der Ersatzanspruch ist   nicht geltend zu machen,

1. soweit der Wert des   Nachlasses unter 15 500 Euro liegt, wenn der Erbe der Partner der   Person, die die Leistungen empfangen hat, war oder mit diesem verwandt war   und nicht nur vorübergehend bis zum Tode der Person, die die Leistungen   empfangen hat, mit dieser in häuslicher Gemeinschaft gelebt und sie   gepflegt hat,

2. soweit die   Inanspruchnahme des Erben nach der Besonderheit des Einzelfalles eine besondere   Härte bedeuten würde. (…)

 

Ergänzender HInweis:

Das unterlegene Jobcenter hat gegen das Urteil Berufung vor dem Landessozialgericht eingelegt (Az.: L 7 AS 928/17).



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